Am Mittwoch, 9. Oktober 2024 um 9:30 veranstaltet unser Verein in der Bücherei Wieden, Favoritenstraße 8, 1040 Wien, beim StoP-Frauentisch einen Vortrag mit Diskussion zu Ehren von Hertha Firnberg. Leitung: Dr. Elfriede Fritz
Dr. Hertha Firnberg war die erste Ministerin der SPÖ und die erste Ministerin für Wissenschaft und Forschung, zuständig auch für die Kunst.
Hier finden Sie die Einladung:
Als Andenken an diese große Politikerin haben die SPÖ Frauen zum 100. Jahrestag am 18. September einen Film über ihr Leben gestaltet:
https://www.youtube.com/watch?v=XAghbDCENGc
Herta Firnberg hat ja von Kreisky den Auftrag erhalten, ein Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zu gründen und war dann dort von 1970–1983 Ministerin.
Ich selber habe ab 1970 an der TU Wien das gerade eingerichtete Fach Informatik studiert, dann 1975 meinen Diplomingenieur gemacht und war dann dort Universitätsassistent bis nach meiner Promotion 1980. Als Universitätsassistent waren meine 2 Hauptaufgaben Forschung und Unterricht, also meine Dissertation zu schreiben und TU-Studenten im Programmieren zu unterrichten. Denn damals fand gerade der erste Aufschwung der Computertechnik statt: jede:r TU-Student:in sollte Programmieren lernen.
Aber die TU war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Es gab weder ausreichend Lehrpersonal, Räume und Zugang zu Computern. Das Establishment der TU, vor allem altgediente Professoren für Maschinenbau, Physik, Chemie und Architektur betrachteten die Informatik mit Argwohn, oft wurde ihr die Wissenschaftlichkeit überhaupt abgesprochen („Rechnen halt, eine neue Art von Rechenschieber“). Wir Informatiker bestanden damals aus 2 Instituten mit insgesamt 8 Mitarbeitern und waren in einem alten Zinshaus in zwei Wohnungen untergebracht. Es gab eine alte IBM Rechenanlage mit 5 Geräten zur Erstellung von Lochkartenprogrammen, sog. Lochern.
Um jemandem das Programmieren und die Idee der Funktionsweise von Computern beizubringen, braucht man Zeit und Praxis. Nachdem mein Chef sich eher mit der Entwicklung von Schachprogrammen befasste, war mir die Aufgabe übertragen worden, die Lehrveranstaltung „Einführung in das Programmieren“, das sog. EPRAK zu organisieren. Aus anfänglich 30 Studenten pro Semester haben sich aber schließlich bis zu 900 Leute dazu angemeldet.
Das war mit unserem Personal nicht mehr zu schaffen. Nach langen Überlegungen entwickelten wir die Idee, dass erfahrene ältere Studenten den Jüngeren das Programmieren beibringen sollten: ein sog. Tutorensystem, das sich an amerikanischen und englischen Universitäten aus ähnlichen Gründen schon bewährt hatte. Aber wie konnten wir die älteren Studenten dazu bewegen, sich freiwillig dieser Aufgabe zu widmen? Geld war natürlich keines dafür da. Die Lösung war, gemeinsam mit dem Pädagogen Horst Pfeiffle von der Universität Wien eine Veranstaltung „Didaktik der Informatik“ anzubieten. Jede:r Student:in, die mitarbeitete, sollte damit ein für das Studium anrechenbares Zeugnis über 3 Stunden bekommen.
Für die konservative Professorenschaft der TU Wien war das undenkbar: Studenten als Lehrpersonal? Wozu Didaktik? Zusammenarbeit mit Pädagogen von der Universität? Aufweichen der technischen Wissenschaftlichkeit? Aber zum Glück gab es damals die Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg. Horst Pfeiffle und mir gelang es überraschend schnell, bei ihr einen Termin zu bekommen. Wir wurden ins Ministerzimmer geführt. Sie saß an einem großen Besprechungstisch und empfing uns freundlich. Mit geschlossenen Augen hörte sie langsam nickend unserem Vortrag zu, zuckte kurz bei der Schilderung der Argumente der konservativen Professoren zusammen und sagte schließlich kurz und bündig: „Seid’s ihr sicher, das des funktioniert? Dann macht’s es!“.
Trotz mehrerer Versuche der Professoren, diese Entscheidung durch Vorsprachen bei der Ministerin abzuwehren, blieb sie unerschütterlich dabei. So konnten wir unser Konzept des Informatik-Tutoriums an der TU Wien erfolgreich einführen und das funktionierte seitdem reibungslos. Mit der Unterstützung von Hertha Firnberg gelang es uns schließlich, sogar Gruppendynamik als anrechenbares Wahlfach im Informatikstudium einzurichten.
Mir imponierte ihre Gabe, trotz ihrer Position und akademischen Bildung einfach zu sprechen, praktisch zu denken, Änderungen positiv zu sehen und standhaft ihre einmal getroffenen Entscheidungen auch gegen den Widerstand konservativer Kräfte durchzusetzen.